Französische / Schweizer Jura Landkarte  Karte zeigen (53 KB)

Fahren auf höchstem Lust- und Schwierigkeitsniveau
Richterskala der Straßengüte ist offen, nach oben und unten
Super ...Allmählich lichtet sich der Nebel, gibt den Blick frei auf die teils felsigen, teils bewaldeten Berghänge bei Goumois. Von der Terrasse des Hotels Taillard schauen wir der Sonne zu, wie sie die Wolken verschlingt. Josef drängt zum Aufbruch. Er will sehen, wovon ich ihm so vorgeschwärmt hatte: traumhafte Landschaften mit ebensolchen Ausblicken, durchzogen von beinahe endlos gewundenen Sträßchen, deren Qualitäten von exzellent bis abenteuerlich reichen. Vor allem, wenn man den in Nord-Süd. Richtung verlaufenden Jurakamm queren möchte und beachtliche Höhenunterschiede überwinden muss.

Direkt an unserem Quartier vorbei schraubt sich die Straße hinauf auf die Corniche de Goumois und folgt dann in luftiger Höhe dem linken Ufer des Doubs, der hier die Grenze zur Schweiz markiert. Von seiner Quelle bei Mouthe bis zur Mündung in Verdun-sur-Ie-Doubs legt der weitgehend naturbelassene Fluss stolze 430 Kilometer zurück. Dabei liegen zwischen den beiden Orten gerade mal 100 Kilometer Luftlinie. Kein Wunder, dass die Straßen entlang des mäandernden Wasserarms kaum eine Gerade kennen. Wir stoppen oberhalb von Goumois und genießen die Aussicht auf die schroffen Täler, die der Doubs dramatisch aus dem Kalkfels gehobelt hat. Die Ähnlichkeit mit dem oberen Donautal ist nicht zufällig, denn hier wie dort fraßen sich die Flüsse in Jahrmillionen durch so genanntes Weißjuragestein. Nur dass die jurassische Schwäbische Alb an Wochenenden von Erholungssuchenden geradezu wimmelt, während im französischen und Schweizer Jura Ruhe herrscht.

Super ...Auf der winzigen D 437 A balancieren wir den Hang hinab. Erst durch dichten Wald, dann dicht an Felswänden entlang. Naturnaher Straßenbau sozusagen, auch was den Fahrbahnbelag angeht, der in der Mitte und am Rand eher Waldboden denn Asphalt gleicht. Genau das Richtige zum Enduro fahren. Unten bei La Goule eine kleine Brücke über den Doubs. Der Grenzübergang zur Schweiz. Doch was ist das? Ein Fahrverbotsschild. Grenzübertritt verboten! Das eng beschriebene Zusatzschild , zählt alle erdenklichen Vehikel auf, die hier nicht passieren dürfen. Motorräder sind glücklicherweise nicht dabei. Also rollen wir hinüber zu den Eidgenossen. Unwesentlich breiter als auf französischer Seite fädelt sich die Strecke durch den Wald wieder bergan. Gelegentlich dunkle Felsentunnel, in denen die Straße unvermittelt rechtwinklig abbiegt. Dann Serpentinen, die sich unter kleinen Wasserfällen winden, Fahren in höchstem Lust- und Schwierigkeitsgrad. Auf knapp 1000 Metern Höhe angekommen, stürzen wir uns gleich ins nächste Tal hinunter und pfeilen auf der D 464 wieder rauf Richtung La Chaux de Fonds. Eine Kurvenorgie der Extraklasse. Wir fahren wie im Rausch. Bis uns in Le Lode der Hinweis auf ein kleines Uhrenmuseum zur Besinnung bringt. Wir machen Pause und drehen eine Besichtigungsrunde. Die stilvoll im parkumgebenen Chateau de Monts untergebrachte Sammlung zeigt einen Querschnitt durch die Chronometerbaukunst der letzten 300 Jahre.

Weniger museal, aber nicht minder "zeitgeschichtlich" die nach frischem Holz duftende Werkstatt von Meister Jean-Claude Alonet. Wir haben erneut französischen Boden unter den Füßen und lassen uns zeigen, wie noch heute die traditionellen Standuhren der Franche-Comte hergestellt werden. Hier, im kleinen Dorf le Bizot nahe der ehemaligen Uhrenmetropole Morteau, entstehen die mannshohen Gehäuse samt ihrem mechanischen Innenleben. Aus einer Menge höchst kompliziert aussehender Teile setzt Monsieur Alonet gerade ein Werk zusammen. In unseren Augen ein nahezu unmögliches Unterfangen, doch als wir gehen, tickt es schon zur Probe. Im warmen Licht der Abendsonne machen wir uns auf den Weg zum Roche du Prêtre, wo uns die beeindruckende Aussicht in den Cirque de Consolation erwartet. Wir stehen direkt am Abbruch der Felswand, und unter uns breiten sich die Reculées aus, tief eingeschnittene Flusstäler, die in steilen Felsenkesseln, den "cirques", enden. Als die letzten Sonnenstrahlen hinter den Felsen verglimmen, suchen wir nach einem Nachtquartier. Kein großes Problem. Denn wie fast überall in Frankreich findet sich auch hier ein einfacher, ruhiger Landgasthof mit schlichten Zimmern in Kombination mit einem ausgezeichneten Menü. Dazu ein Fläschchen Wein aus Arbois, dem Zentrum des Weinbaus im Jura. Perfekter kann der Tag nicht enden.

Super ...Der nächste beginnt nicht ganz so optimal: Es regnet. Macht aber nichts, heute sind ohnehin Höhlenbesuche angesagt. Die erste, die Grotte de Glacier, erweist sich als Flop und ist schon ein wenig heruntergekommen, während die Gouffre de Poudrey nahe Besancon alle Entdeckungsgelüste stillt. Fast senkrecht führen endlos viele Stufen in die Tiefe, wo sie in einer magisch beleuchteten, mehr als 200 Meter durchmessenden Grotte münden. Zurück am Tageslicht, haben sich die Regenwolken verzogen, und wir brausen hinab ins Tal des Flüsschens Laue, dessen Quelle aus einer gewaltigen Felskathedrale sprudelt, in der das Rauschen des Wassers widerhallt. Der zehnminütige Fußmarsch dorthin lohnt unbedingt. Die Weiterfahrt gen Süden nicht minder. Denn dort lockt der Wald von La Joue mit der Route des Sapins, der Tannenstraße, gesäumt von den Sapins Présidente: riesige, unter Artenschutz stehende Tannen, sicher vor jeder Kettensäge. Nicht weit davon ein Kleinod, das selbst auf der äußerst genauen Michelin-Karte kaum zu erahnen ist: die Gorges de la Langouette bei Les Planches. 47 Meter tief, aber nur vier Meter breit. Eine der engsten Schluchten Frankreichs. Ein Stückchen klettern wir hinein.

Allmählich weichen wir vom Südkurs ab und fahren auf der N 5 in Richtung Osten. Wer bis dato glaubte, Nationalstraßen seien grundsätzlich langweilig, wird hier eines Besseren belehrt. Die N 5 nach Genf gehört zum Feinsten, was einem fahrtechnisch so unter die Räder kommen kann. Sie führt uns direkt zum Balkon Frankreichs, wie die Gegend westlich des Genfer Sees genannt wird. Bei Gex unterhalb des Col de la Faucille finden wir Unterkunft mit Mont-Blanc-Blick. Letzteres zumindest theoretisch. Das Hotel steht unmittelbar am Juraabbruch und den Alpen vis-à-vis gegenüber. Nur entpuppt sich die Sache mit der Aussicht als graue Theorie. Den Mont-Blanc-Blick können wir lediglich auf der Panorama-Tapete bewundern, denn die Sichtweite draußen beträgt keine zwanzig Meter. Okay, morgen ist auch noch ein Tag.

Der bringt zwar keinen Regen, aber das triste Wetter verzieht sich nicht. Trotzdem wollen wir einen Blick ins Tal der Uhren rund um den Lac de Joux werfen. Also raus aus den Federn, rauf auf die Bikes -uuuuah: Ungeachtet des meteorologischen Sommers ist es hier oben bitterkalt. Die bleischweren Wolken hängen fast bis auf die schlichten Blechdächer herab, die für die alten Häuser im Hoch-Jura so typisch sind. Tapfer trutzen sie den Elementen, denen sie im gut 1000 Meter hoch gelegenen Vallee de Joux das ganze Jahr über ausgesetzt sind. Das raue Klima treibt den Blechverschalungen braune, rostige Tränen aus und verschafft der Region den Beinamen Schweizerisch Sibirien. Wer ahnungslos durch dieses westlichste Schweizer Tal fährt, dürfte kaum auf die Idee kommen, dass hinter den alten Häuserfassaden sündhaft teure, mechanische Uhren von Weltrang zusammengebaut werden. In Handarbeit versteht sich.Namen wie Blancpain oder Jaeger-LeCoultre - kunstvolle Zeitmesser, die in der Quarz-Euphorie der achtziger Jahre beinahe untergegangen wären, heute aber jede Rolex zum Massenartikel degradieren. Uns wundert’s nicht, dass sich die Leute in dieser unwirtlichen Gegend zu kontemplativen Tätigkeiten hinter dem warmen Ofen zurückziehen. Auch wir haben genug von der Kälte und seilen uns durch die Weinberge zum Genfer See ab. Mit steigender Temperatur machen die Kurven wieder Spaß, und in Nyon am See ist endlich wieder Sommer. Wenn auch ohne Sonnenschein. Aber der kommende Morgen, versichert ein freundlicher Cafe-Besitzer.

Super ...Und behält Recht. Frischen Mutes fahren wir bergan, um Maitre Marcel in seiner kleinen Käserei einen Besuch abzustatten. Wir treffen ihn im Reifekeller. Gleichmütig wischt er über die schweren Käselaibe. Mit einem simplen, in Salzlauge getränkten Scheuerlappen - meinen wir. Eines der wichtigsten Utensilien bei der Herstellung von Comte-Käse - sagt dagegen der Maitre. Der Salzlappen stimuliere die Bakterien für den Reifeprozess. Vorher wurde die Rohmilch in großen Kupferkesseln auf 32 Grad erhitzt, zur Gerinnung gebracht, nach nochmaliger Erhitzung das restliche Wasser abgepresst und die Masse in eine Holzform gegeben. Während der 120 Tage dauernden Reifezeit müssen die fast einen Zentner schweren Käseräder zweimal pro Woche gewendet und immer wieder mit besagtem Lappen abgerieben werden. Eine ganz schöne Schufterei, doch das Ergebnis, einer der bekanntesten Käse Frankreichs, schmeckt hervorragend - ein bisschen wie Appenzeller. Wir rollen weiter durch die Weideflächen des Haute-Jura. Sie glitzern noch feucht in der Mittagssonne, während die Straßen längst trocken sind. Los geht's, Kurven wetzen rüber nach Pontarlier, vorbei am Lac de Saint Point und hinauf auf die Burg von Joux, die seit dem 11. Jahrhundert über der Enge von Pontarlier thront. Nach einer Stunde Führung wird uns klar, was wir im Grunde schon immer wussten: Das Mittelalter war auch nicht der Himmel auf Erden. Den finden wir allerdings im Tal des Dessoubre - in Form einer traumhaften Motorradstrecke. Wir halten uns, nun wieder in der Schweiz, Richtung Col de Chasseral oberhalb des Bieler Sees. Ein lohnender Abstecher, wie wir auf dem Aussichtsplateau feststellen.

Auf halber Höhe fahren wir parallel zum Kamm an der Taubenlochschlucht vorbei über den Grenchenberg nach Court, Weissenstein und Balmberg. Dazwischen die genialsten Sträßchen, bisweilen so steil, dass auch bei erfahrenen Bikern nie Langeweile aufkommt. Die Schilder sind eindeutig: 25 Prozent Gefälle, Anhänger und Fahrzeuge über 3,5 Tonnen verboten. Die von den Eidgenossen verordnete Höchstgeschwindigkeit von 80 Stundenkilometern wird eher selten erreicht. Kleine Gasthäuser und reizvolle Ausblicke locken allenthalben, und die Michelin-Karte verzeichnet noch so viele Fleckchen, denen wir zu gerne einen Besuch abstatten würden. Wie sagte doch die Chefin im Hotel bei Gex: "An klaren Herbsttagen ist die Sicht am besten." Womit klar wäre, welche Tour wir zum Saisonende angehen: Alpen gucken vom Aussichtsbalkon Jura.


Kurz-Check
Region:
Reisezeit:   


Übernachtung:   


Information:







Anspruch: 
Frankreich / Schweiz / Süddeutschland
Durch das raue Klima kann es im Frühjahr auf den Höhen frisch sein.
Einige Bergstraßen sind möglicherweise noch gesperrt.
Im Hochsommer genießt man die frische Luft auf den Höhenzügen.
Auf der französischen Seite ist die Auswahl an günstigen Unterkünften
größer. Kombination aus einfachem Zimmer mit leckerem Menü
zwischen DM 110,-- und DM 220,--
Französisches Fremdenverkehrsamt
Maison de la France, Westendstr. 47, 60325 Frankfurt/Main
Tel. (069) 975801-22, Fax: (069) 745556
http://www.franceguide.com und http://www.maison-de-la-france.fr
Schweiz Tourismus
Rossmarkt 23, 60311 Frankfurt/Main
Tel. (069) 256001-32, Fax (069) 256001-38
http://www.myswitzerland.com
Mittelschwere Tour für Biker mit Gebirgserfahrung.
Man sollte seine Maschine in engen Kurven sicher beherrschen.
 
Motorrad-Verlag, Heft 16, 20. Juli 2001
Text: Nicolas Streblow, Fotos: Josef Seitz